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Wenn ungewollt Schwangere eine Abtreibung wollen: Wenig Infos und weite Wege zwischen Mittweida und Freiberg

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Schwangerschaftsabbrüche sind ein Tabuthema. Frauen müssen oft mühsam nach Ansprechpartnern und Ärzten suchen. Obwohl es nicht mehr verboten ist, informiert in Mittelsachsen offenbar keine Praxis und keine Klinik darüber, ob sie Betroffenen hilft oder nicht. Wohin können sich Frauen in der Region also wenden?

Mittelsachsen.

Wie geht es weiter? Wer nimmt den Eingriff vor? Und vor allem: Reicht die Zeit, um alle Termine zu bekommen? Ungewollt Schwangere, die einen Abbruch vornehmen lassen wollen, stehen nicht selten unter enormem Druck. Und: Die richtigen Ansprechpartner und entsprechende Hilfe zu finden, ist in der Region zwischen Rochlitz und Freiberg nicht einfach.

Gesetzeslage bei Schwangerschaftsabbruch mehrere Jahrzehnte alt

Schwangerschaftsabbrüche werden nach wie vor nicht als medizinischer Eingriff gesehen, über den jede Frau frei entscheiden kann, sondern sind noch immer eine Straftat. So steht es seit Jahrzehnten in §218 des Strafgesetzbuches. Sowohl die Frau als auch der Arzt verstoßen gegen das Gesetz - allerdings bleibt das straffrei, solange die Frau nachweislich bei einer Beratung gewesen ist und die Abtreibung bis spätestens zur 12. Schwangerschaftswoche erfolgt. Der Abbruch kann auf zwei Arten erfolgen: mit einer operativen Entfernung des Schwangerschaftsgewebes aus der Gebärmutter oder mit Tabletten, die ein Abbluten der Schwangerschaft auslösen.

Eine von der Bundesregierung beauftragte Expertenkommission hat empfohlen, diesen Paragrafen ersatzlos aus dem Gesetzbuch zu streichen. Doch ob und wann das passiert, ist völlig unklar. Und obwohl im Sommer 2022 das gesetzliche Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche abgeschafft wurde und Mediziner nun offen und transparent beispielsweise auf ihrer Website darüber informieren dürfen, dass sie Abtreibungen vornehmen, macht das in Mittelsachsen niemand.

Frauenärzte und Kliniken informieren so gut wie gar nicht

Die „Freie Presse“ hat stichprobenartig 20 Gynäkologen in den Regionen Döbeln, Rochlitz, Flöha, Mittweida und Freiberg gecheckt. Ergebnis: Der Großteil der Praxen hat keine eigene Website. Von denjenigen, die eine haben, gibt keine einzige Praxis an, ob Abtreibungen - operativ oder medikamentös - vorgenommen werden. Eine Frauenärztin aus Döbeln ist im Online-Portal frauenaerzte.de vertreten und gibt auf ihrer Übersichtsseite an, dass die sogenannte Abrasio zum Leistungsspektrum an ambulanten Operationen gehört. Das ist der Fachbegriff für die Ausschabung der Gebärmutter. Ob sie das im Falle von einer ungewollten Schwangerschaft auch macht, bleibt offen. Eine andere Gynäkologin aus Rochlitz informiert auf ihrer Website darüber, dass sie Ausschabungen und Fehlgeburtsausschabungen vornimmt und auch die „Pille danach“ verschreibt. Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen finden sich nicht.

Ebenso unkonkret sind die Informationen auf der Internetseite der Medizinischen Versorgungszentren des Mittweidaer Krankenhauses. In Mittweida, Flöha und Oederan arbeiten Gynäkologen in solchen MVZ. Auf der Website steht lediglich, dass „Beratungen zu Schwangerschaftsverhütung und Problemlösung“ erfolgt.

Krankenhäuser in Freiberg und Mittweida nehmen Abtreibungen vor

Auch auf der Website der Fachabteilung für Gynäkologie des Mittweidaer Krankenhauses ist nur von „Ausschabungen“ die Rede. Auf Nachfrage der „Freien Presse“ heißt es allerdings: „In unserer Frauenklinik werden Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, wenn die Frauen die notwendige Bescheinigung über eine Schwangerschaftskonfliktberatung vorlegen.“ Der Begriff „Ausschabung“ sei allumfassend und daher ausreichend. „Wir möchten nicht damit werben, auch wenn es seit 2022 nicht mehr verboten ist“, so Krankenhaussprecherin Ines Schreiber.

Auch ins Kreiskrankenhaus Freiberg können Frauen gehen und den Eingriff vornehmen lassen. Das bestätigt Sprecherin Claudia Steinbach. „Das Klinikteam führt ausschließlich operative Schwangerschaftsabbrüche durch“, sagt sie.

Schwangerenkonfliktberatung: Nur sechs Stellen zwischen Rochlitz und Freiberg

Das Landratsamt Mittelsachsen hat vor wenigen Jahren den „Familienwegweiser“, eine Broschüre, veröffentlicht. Darin sind sechs Beratungsstellen genannt, bei denen ungewollt Schwangere den zwingend notwendigen Nachweis einer Beratung erhalten, den sie bei einer Abtreibung beim Arzt vorlegen müssen. Sie befinden sich in Döbeln, Freiberg, Mittweida, Brand-Erbisdorf und Flöha.

Eine dieser Beratungsstellen ist Pro Familia in Mittweida. „2023 gab es in der Beratungsstelle 110 Beratungsfälle “, teilt der Landesverband mit. Nach den Gesprächen, die einem vorgeschriebenen Ablauf folgen würden, erhielten die Frauen meist eine Liste mit Praxen und Kliniken, die den Eingriff vornehmen. „Darauf sind die Frauen meist angewiesen“, heißt es. Der Freistaat hat eine Liste erstellt, in der 21 Ärzte und 10 Kliniken genannt sind. Die Region Mittelsachsen ist nicht vertreten, nur eine Praxis in Chemnitz. „Tatsächlich gibt es deutlich mehr Ärzte und Ärztinnen, die Abbrüche durchführen. Diese weisen das Angebot nach wie vor nicht öffentlich aus“, so Pro Familia. Und die Familienberatungsstelle weist darauf hin: „Die Versorgungslage - Zugang zum Abbruch und Wahl der Abbruchmethode - ist je nach Wohnort schwierig.“

Auch die AWO hat in Mittweida eine Beratungsstelle zur Schwangerschaftskonfliktberatung. Dort haben sich 2023 insgesamt 91 Frauen beraten lassen, teilt AWO-Sprecher Ralf Härtel mit.

2023 insgesamt 5582 Abtreibungen in Sachsen

Wie viele Frauen in Mittelsachsen im vergangenen Jahr einen Abbruch haben vornehmen lassen, ist unklar. Konkrete Zahlen gibt es lediglich für ganz Sachsen. Dem statistischen Landesamt zufolge waren es 2023 insgesamt 5582 Schwangerschaftsabbrüche, wobei nicht genannt wird, ob darin Fälle sind, in denen Frauen innerhalb eines Jahres mehrere Abbrüche hatten. Im Durchschnitt waren die Frauen den Daten zufolge 30 Jahre alt. 156 Fälle betrafen Minderjährige. (fpe)

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